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TEXT: Klaus Groth (1819-1899)

VERLAG: Belmont Music Publishers

Den Bemühungen von Arnold Schönbergs Cousin Hans Nachod ist es zu verdanken, dass diese Chorkomposition heute noch vorliegt. Ein Jahr vor seinem Tod berichtete er der britischen Musikwissenschaftlerin Ena Steiner, dass Schönberg vor seinem Umzug nach Berlin plante, einige frühe Skizzen und Kompositionen zu verbrennen. Nachod konnte ihn davon überzeugen, ihm das Material zu überlassen. Schließlich gelangte dieser inoffizielle Teil des Schönberg-Nachlasses in die Hände von Steiner und ihrem Ehemann, die den Bestand in verschiedenen Zeitschriftenbeiträgen der Öffentlichkeit präsentierten. Die überlieferte Reinschrift von „Ei du Lütte“ entstand vermutlich 1895/96.
Das Werk ist schwer einzuordnen. Auf den ersten Blick scheint es naheliegend das Stück mit Schönbergs Chorleitertätigkeit 1895/96 in Verbindung zu bringen. Dagegen spricht allerdings, dass Schönberg hauptsächlich Männerchöre dirigiert hat, während »Ei du Lütte« für gemischten Chor gesetzt ist. Das Gedicht von Klaus Groth entnahm Schönberg der Anthologie »Die deutsche Lyrik der Gegenwart«. Die Erstveröffentlichung erfolgte im Gedichtband »Quickborn« (1852), mit dem der Dichter der Verdrängung des Plattdeutschen durch das Hochdeutsche entgegenwirken wollte. Texte von Klaus Groth wurden auch von Johannes Brahms vertont, der mit dem Dichter eng befreundet war. Dies könnte die ungewöhnliche Wahl Schönbergs eines plattdeutschen Textes erklären: Der aus dem norddeutschen Hamburg stammende Komponist gehörte zu seinen wichtigsten Vorbildern.
»Ei du Lütte« ist ein schwärmerisches Liebesgedicht. Schönberg setzte lediglich die erste Strophe der Vorlage in Musik und überschrieb die Komposition mit der Tempobezeichnung »Frisch«. Formal folgt das kurze Stück einer dreiteiligen-Liedform und reiht sich dadurch nahtlos in eine Vielzahl an Vokalkompositionen im Volkston ein, die innerhalb der bürgerlichen Musikkultur en vogue waren. Die Komposition beginnt und endet in Es-Dur, während der Mittelteil nach B-Dur moduliert. Mit der Rückmodulation nach Es-Dur über die kleine Sept von B-Dur wird der volksmusikalische Bezug verstärkt. Die Textbehandlung ist größtenteils syllabisch. Auffallend sind weiters viele dem Sprachrhythmus folgende Taktwechsel und der phrasenweise geteilte Alt. Zahlreiche Atemzeichen im Notentext deuten darauf hin, dass Schönberg das Werk auch zur Aufführung bringen wollte, wenngleich eine Einstudierung nicht nachgewiesen ist.

Sebastian Slameczka | © Arnold Schönberg Center, Wien