1. Jane Grey (Heinrich Ammann) >>> Liedtext | Quellen

2. Der verlorene Haufen (Viktor Klemperer) >>> Liedtext | Quellen

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 11 Min.

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Kanada, Mexico)

Der Berliner Verlag August Scherl veranstaltete 1906 in seiner Zeitschrift »Die Woche« ein Preisausschreiben für Balladendichtungen, an dem sich unter anderen Hermann Löns, Otto Ernst und Max Geißler beteiligten. In der Weihnachtsnummer vom 22. Dezember 1906 wurde für die unter dem Titel »Neuer deutscher Balladenschatz« veröffentlichten Einsendungen ein Kompositionswettbewerb ausgeschrieben. Wahrscheinlich aus diesem Anlass vertonte Schönberg »Jane Grey« nach einem Text von Heinrich Ammann und »Der verlorene Haufen« nach Victor Klemperer: erfolglos, denn die mit tausend bis dreitausend Mark dotierten Preise gingen an Hans Hermann, Heinrich Eckl und Gustav Lazarus und auch unter den in der nächsten Sondernummer der »Woche« publizierten elf weiteren Kompositionen scheint op. 12 nicht auf. Schönbergs Vertonung eines dritten Textes aus der Anthologie, »Jeduch« von Hermann Löns, blieb Fragment.
Alle drei Werke wurden zwischen März und April 1907 komponiert, op. 12 Nr. 1 trägt als Enddatum den 28. April. Im »Rückblick« (1949) betrachtete Schönberg die Balladen als »unmittelbare Vorläufer des Zweiten Streichquartetts«, welches den Übergang zu seiner atonalen Periode markierte. Harmonisch nimmt op. 12 eine Mittelposition zwischen dem (noch)tonalen – »Jane Grey« basiert auf d-Moll und den verwandten Tonarten b-Moll / B-Dur / a-Moll – und dem expressionistischen Stil ein, ist somit dem zeitlich parallel disponierten ersten Satz aus op. 10 vergleichbar.
Neben einer weitgehend gefestigten, wenngleich unkonventionellen Harmonik präsentiert sich der Rhythmus, wie bereits in den früheren Liedern »Warnung« op. 3 Nr. 3 und »Am Wegrand« op. 6 Nr. 6, als strukturgebendes Element von »Jane Grey«. Das eintaktige rhythmische Grundmotiv erscheint im Vorspiel sowie am Beginn der ersten Strophe (»Sie führten ihn«) und wird gemessen an der dramatischen Progression im Sinne der ›entwickelnden Variation‹ in den Folgestrophen ausformuliert, etwa am semantischen Höhepunkt der Ballade (»dann eilte nach in die Ewigkeit«) in der Überlagerung mit einem dramatisierenden Exekutionsmotiv oder dem Wechsel zum Vierer- zum Dreiermetrum im Epilog (»Und wenn der Wind in den Blättern spielt«) als Überblendung in die Gegenwart.

Therese Muxeneder | © Arnold Schönberg Center