I. Rasche Viertel


II. Mäßige Viertel


III. Gehende Viertel

>>> Quellen

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 2 Min.

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Canada, Mexico)

»Jeder Blick läßt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen.« – Arnold Schönbergs Vorwort zu den Bagatellen op. 9 seines Schülers Anton Webern, die er mit Begriffen der »Geste« und des »Aufatmens« paraphrasiert, beschreibt zugleich die Sprache seiner eigenen Kompositionen am Beginn jener Stilperiode, welche »auf ein tonales Zentrum verzichtet« (»Rückblick«): insbesondere der miniaturesken Drei Klavierstücke op. 11 (1909), der Drei Stücke für Kammerensemble (1910) sowie der Sechs kleinen Klavierstücke op. 19 (1911). »Die charakteristischsten Merkmale dieser Stücke in statu nascendi waren ihre äußerste Ausdrucksstärke und ihre außerordentliche Kürze. Zu jener Zeit waren weder ich noch meine Schüler uns der Gründe für diese Merkmale bewußt. Später entdeckte ich, daß unser Formgefühl recht hatte, als es uns zwang, äußerste Gefühlsstärke durch außergewöhnliche Kürze auszugleichen.« (Schönberg, »Komposition mit zwölf Tönen«) Die neue strukturelle Konzeption der Musik als Gegenentwurf zu Schematismen und formelhaften Wiederholungen korrespondiert mit Stilidealen des Expressionismus: Man will, wie Anton Webern in einem Vortrag von 1932 resümiert, »mit jedem Werk anderswohin gelangen – jedes Werk ist etwas anderes, etwas Neues«. Die expressive Tendenz zur Verdichtung gilt in musikalischer Hinsicht ebenso für die Stücke als Ganzheiten wie für die Elemente innerhalb der Stücke, ja schließlich für die einzelnen Tonfolgen: das von Schönberg apostrophierte »Arbeiten mit Tönen«. Das Ausdrucksbedürfnis intensiviert den einzelnen Moment, sodass Wiederholungen und Analogien zunehmend gemieden werden. Die Unmittelbarkeit der musikalischen Ereignisse führt nicht nur zur Auflösung der traditionellen Formprinzipien, sondern darüberhinaus zur Infragestellung der formalen Einheit im traditionellen Sinn. Die lyrische Kürze der im Februar 1910 komponierten Drei Stücke für Kammerensemble (12 – 7 – 8 Takte, das dritte Stück ist als Fragment überliefert) wird von einer inneren Weite der Klangrede – bei jeweils unterschiedlicher Instrumentierung – getragen. An die Stelle expansiver motivischer Arbeit tritt eine frei assoziierende Schreibweise, die viele Beziehungen schafft, diese jedoch in einer vieldeutigen Schwebe hält. Wenngleich die Entfaltung musikalischen Gedankens in dessen äußerster Reduktion formuliert ist, bleibt der Melos bei Schönberg dennoch gestisch deutbar und fasslich. Das dynamisch stark abgestufte erste Stück leitet aus der Satzidee der athematischen Engführung ein dreiteiliges Formschema ab, als dessen Gliederungselemente Stimmkreuzungen fungieren. Das zweite Stück der Trias zählt zu den radikalst konzipierten musikalischen Aphorismen innerhalb des Repertoires der Wiener Schule. Neben den vertikalen und horizontalen Tonbeziehungen der Partitur werden Klangfarbe und Dynamik kompositorisch als gleichrangige Strukturparameter behandelt und vergleichbar der malerischen »hard edge«–Technik mittels scharf konturierter Schnitte und Übergänge nebeneinander gesetzt – »mikrologisch durchgebildet« (Theodor W. Adorno). »Neue Charaktere waren aufgetaucht, neue Stimmungen und schnellere Ausdruckswechsel geschaffen worden, und neue Arten des Anfangs, der Fortsetzung, des Gegensatzes, der Wiederholungn und des Schlusses waren in Gebrauch gekommen.« (Schönberg, »Rückblick«) Das »Mittelstück« fungiert gleichsam als meditativer Ruhepunkt zwischen der komplexen Polyphonie des ersten und den Ostinati des unvollendeten Final-»satzes«. Mit der Betonung des Farblichen wird im letzten Stück zugleich auch das orchestrale Moment deutlicher als in den beiden ersten Miniaturen. Der liegende statische Klang in Orgel (oder Harmonium) bildet einen »unendlich zarten, atmosphärischen Hintergrund« (Adorno), aus dem sich punktuell kurze motivische Absprengsel herauskristallisieren – kulminierend in einer weitausholenden Gestik der Klarinetten vor der abrupten Zäsur durch das Ende des Werktorsos.

Therese Muxeneder
© Arnold Schönberg Center