>>> Gesangstext und Quellen

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 3 Min.

TEXT: Maurice Maeterlinck, aus Gedichte, deutsche Übersetzung von K. L. Ammer (Pseudonym für Karl Klammer) und Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Jena 1906

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Kanada, Mexico)

Am 4. Dezember 1911 begann Schönberg sein Lied »Herzgewächse« auf ein Gedicht aus Maurice Maeterlincks »Serres Chaudes« für hohen Sopran, Celesta, Harmonium und Harfe zu entwerfen und schloss die Komposition bereits fünf Tage später ab. Zu dieser Zeit pflegte der Komponist einen besonders intensiven geistigen Austausch mit dem Maler Wassily Kandinsky. Schönberg hatte sich im selben Monat mit eigenen Bildern an der Münchener Ausstellung »Der Blaue Reiter« beteiligt. An der Malerei des Komponisten beeindruckte Kandinsky vor allem die Unmittelbarkeit ihrer Ausdruckskraft. Sie äußerte sich in einer eindringlichen Bildsprache, die Kandinsky nicht ohne Bewunderung »Nurmalerei« nannte.
Eine direkte Verbindung zu Schönbergs Musik stellte Kandinsky im Rahmen der Ausstellung »Der Blaue Reiter« selbst her: Im Almanach zur Ausstellung, der 1912 erschien, wurde als Anhang die Partitur von Schönbergs Komposition »Herzgewächse« abgedruckt. Damit fand ein Werk Eingang in den Almanach, das besonders ausdrucksmächtig mit Klangfarben experimentiert: Es ertönt der koloristische Reichtum eines Orchestersatzes in Kammermusikbesetzung, getragen von den Registern eines Harmoniums. Erstaunlicherweise hat es eine von Schönberg autorisierte Aufführung des Werkes erst am 17. April 1928 im Rahmen eines Abonnementkonzertes von Rudolf Kolischs »Wiener Streichquartett« gegeben. (Da das Stück bereits seit 1920 im Druck erhältlich war und es seitdem Gelegenheit zu weiteren Aufführungen gegeben haben muss, sprach Schönberg selbst aus diesem Anlass lediglich von einer »Wiener Erstaufführung«.)
Es handelt sich um die vielleicht technisch schwierigste Gesangspartie in Schönbergs Œuvre: Bewegt sich der Stimmumfang anfangs noch in der kleinen Oktave, weitet er sich bald sprunghaft aus; gegen Ende verlangt die Partie ein dreigestrichenes f im vierfachen piano, um sich schließlich wieder zur eingestrichenen Oktave abzusenken. Die Sopranistin Marianne Rau-Hoeglauer, die über einen Stimmumfang von tiefem gis bis zum dreigestrichenen f verfügte, errang bei der Wiener Aufführung von 1928 einen stürmischen Erfolg. Alban Berg, beeindruckt vom Farbenreichtum der Partitur Schönbergs, berichtete von diesem Ereignis an den Komponisten, der selbst nicht zugegen sein konnte: »Wir haben in diesen, bisher nur geahnten, Klängen geschwelgt. Es ist ja so wunderbar: jedes Deiner Werke erzielt beim 1. Hören bei jedem Hörer eine noch nicht da gewesene Sensation – und sei es wie dieses 20 Jahre alt. [...] Die Aufführung war fabelhaft in jeder Hinsicht. Es gab Momente, wie der bei den Worten ›Sinnbildhaft ist seiner Blumen Zier‹ und der ganze Schluß des Lieds, wo man direkt zu atmen vergessen hat – und das ging nicht nur mir so, sondern – ich möchte behaupten – jedem im Saal. Und wiederholte sich bei der zweiten Aufführung des Lieds – die nicht etwa aus pädagogischen Gründen erfolgte, sondern von dem nicht zu applaudieren aufhörenden Publikum tatsächlich erzwungen wurde – in noch verstärktem Maß.«

Matthias Schmidt | © Arnold Schönberg Center