1. »Unterm Schutz von dichten Blättergründen...« >>> Liedtext | Quellen

2. »Hain in diesen Paradiesen...« >>> Liedtext | Quellen

3. »Als Neuling trat ich ein in dein Gehege...« >>> Liedtext | Quellen

4. »Da meine Lippen reglos sind und brennen...« >>> Liedtext | Quellen

5. »Saget mir auf welchem Pfade...« >>> Liedtext | Quellen

6. »Jedem Werke bin ich fürder tot...« >>> Liedtext | Quellen

7. »Angst und Hoffen wechselnd sich beklemmen...« >>> Liedtext | Quellen

8. »Wenn ich heut nicht deinen Leib berühre...« >>> Liedtext | Quellen

9. »Streng ist uns das Glück und spröde...« >>> Liedtext | Quellen

10. »Das schöne Beet betracht ich mir im Harren...« >>> Liedtext | Quellen

11. »Als wir hinter dem beblümten Tore...« >>> Liedtext | Quellen

12. »Wenn sich bei heilger Ruh in tiefen Matten...« >>> Liedtext | Quellen

13. »Du lehnest wider eine Silberweide...« >>> Liedtext | Quellen

14. »Sprich nicht mehr von dem Laub...« >>> Liedtext | Quellen

15. »Wir bevölkerten die abend-düstern Lauben...« >>> Liedtext | Quellen

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 25 Min.

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Kanada, Mexico)

Arnold Schönbergs »15 Gedichte aus ›Das Buch der hängenden Gärten‹« entstanden in den Jahren 1908 und 1909. Das Werk erlebte seine Uraufführung durch die österreichische Sängerin Martha Winternitz-Dorda und die Pianistin Etta Werndorf am 14. Januar 1910 in Wien. Bei den fünfzehn vertonten Gedichten handelt es sich um eine Auswahl aus einer größeren Sammlung des deutschen Dichters Stefan George. Die Komposition markiert einen Bruch mit der traditionellen Harmonielehre und dem bis dahin üblichen Umgang mit Dissonanzen. Zusammen mit den Drei Klavierstücken op. 11 steht »Das Buch der hängenden Gärten« am Beginn von Schönbergs so genannter »atonalen« Phase.
Georges »Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen und Sänger und der Hängenden Gärten« erschien erstmals 1895. Das Buch unterteilt sich in drei aneinander anschließende Teilbände, wobei Schönberg sich vor allem durch den dritten angezogen fand. Die dort versammelten 32 Gedichte geben die Geschichte eines jungen Prinzen und seines sexuellen Erwachens in einem paradiesischen Garten in poetischen Bildern wieder. Das beherrschende Thema ist die Verwandlung: ein naiver Jugendlicher betritt den Garten, um schließlich die Erfüllung aller Sehnsüchte mit seiner Geliebten in einem Blumenbett zu finden. Wenn er nach diesem Erweckungserlebnis von ihr verlassen wird, zerfällt auch der Garten. Carl E. Schorske erläutert in seinem Buch über das Wiener Fin de Siècle, wie die von Schönberg ausgewählten 15 Gedichte »nicht nur die Verwandlung des Liebenden, sondern auch jene des Gartens aufzeichnen. Der Verlauf geht beiderseits von der Eigenständigkeit des Gartens und des Liebenden aus, über deren Verbindung, bis zur Auflösung beider«.
Schönberg entschied sich mit seiner Auswahl offensichtlich dagegen, wie George einen durchgehenden Erzählfaden anzudeuten. Die Neigung des Komponisten zu Knappheit ist unübersehbar, mehr als die Hälfte der Stücke sind kürzer als zwei Minuten. So kann jedes Lied aus dem »Buch der hängenden Gärten« als Destillat eines Gedankens, einer Stimmung oder gar eines flüchtigen Moments gehört werden. Hier offenbart sich einer der hervorstechenden Züge von Schönberg als Künstler – sein ausgeprägtes Feingefühl für aphoristischen Ausdruck.
Schönberg selbst bezeichnet das »Buch der hängenden Gärten« als bahnbrechend. In diesem Werk fand der Komponist Ausdruck für etwas, das bereits lange in ihm gärte. Darüber berichtet er in seinem Programmtext anlässlich der Uraufführung des Werkes im Wiener Verein für Kunst und Kultur:
»Mit den George-Lieder ist es mir zum erstenmal gelungen, einem Ausdrucks- und Formideal nahezukommen, das mir seit Jahren vorschwebt. Es zu verwirklichen, gebrach es mir bis dahin an Kraft und Sicherheit. Nun ich aber diese Bahn endgiltig [sic] betreten habe, bin ich mir bewußt, alle Schranken einer vergangenen Ästhetik durchbrochen zu haben. […] nicht Mangel an Erfindung oder an technischem Können, oder an Wissen um die anderen Forderungen jener landläufigen Ästhetik [drängen] mich in diese Richtung […], sondern, daß ich einem innern Zwange folge, der stärker ist, als Erziehung; daß ich jener Bildung gehorche, die als meine natürliche mächtiger ist, als meine künstlerische Vorbildung.«
Schönberg selbst prägte in diesem Zusammenhang den Begriff »Emanzipation der Dissonanz«, der zu einem Fixpunkt seiner Musikästhetik wurde. Dissonanz und Konsonanz werden nach diesem Konzept als gleichwertig angesehen. In seinem 1949 entstandenen Vortrag »My Evolution« konstatiert Schönberg, Dissonanzen seien »nicht ein bloß ›pikanter‹ Zusatz zu einem im übrigen reizlosen Klang. Sie sind, im Gegenteil, natürliche und logische Bestandteile eines Organismus«. Dementsprechend müssen die Töne keine im traditionellen Sinne funktionale Bedeutung haben, eine Auflösung zur Tonika ist nicht mehr notwendig. Wie Schönberg bereits 1911 in seiner »Harmonielehre« feststelle, wurde die überkommene Definition von Tönen, die keine Beziehung zur vorherrschenden Tonalität aufweisen, als Fremdkörper obsolet. Ergebnis dieses Paradigmenwechsels war ein zuvor ungekanntes Maß an Freiheit für den Komponisten. Harmonie musste nicht mehr funktional sein und konnte allein hinsichtlich ihrer klangfarblichen Möglichkeiten eingesetzt werden. Ein frühes »atonales« Werk wie »Das Buch der hängenden Gärten« steht beispielhaft für diese neu erschlossenen musikalischen Gefilde.
Gleich das erste Lied demonstriert, wie Schönberg die überkommene harmonische Sprache verlässt. Die formlos wirkende Eröffnungsgestalt im Klavier scheint keine nachvollziehbare Richtung einzuschlagen, die Phrasenschlüsse lassen die Abrundung durch Kadenzen vermissen. Zudem basieren die meisten Harmonien nicht wie in der Dur/Moll-Tonalität auf Terzenschichtung: Bei einem Akkord in der Mitte des Stücks erklingen beispielsweise sechs der sieben Töne der C-Dur-Skala gleichzeitig als farbenreicher Toncluster. Anstelle funktionaler Zusammenhänge entwirft Schönberg jedoch ein Netz motivischer Zusammenhänge: In der letzten Phrase des Stückes erklingt das Hauptmotiv des Stückes leicht variiert im tiefen Register.
Solche Gestaltungsmerkmale fasste Schönberg später unter dem Begriff der »entwickelnden Variation« motivischer oder thematischer Gestalten zusammen. Diese Komponierweise prägt sein gesamtes Schaffen, wie auch das »Buch der hängenden Gärten«. So ist etwa im zehnten Lied »Das schöne Beet« nahezu jede musikalische Wendung im Klavier wie in der Singstimme von dem Motiv gis-a-d abgeleitet, das akkordisch und melodisch bereits im ersten Takt des Stücks zu hören ist. Schönberg lehnt sich hier an die Kompositionstechnik Johannes Brahms’ an und dessen Art, das Material immer wieder neu zu formulieren: Die exakte Wiederholung rückt zugunsten einer stetig sich wandelnden Nuancierung der Motive und Themen gänzlich in den Hintergrund.
Während fast alle Lieder aus Opus 15 kurz sind, ist das vierzehnte Lied »Sprich nicht immer von dem Laub« bei weitem am kürzesten. Georges Gedicht besteht aus vierzehn fragmentarischen Textzeilen, die jeweils nicht mehr als drei Worte umfassen. Schönbergs nur 11 Takte lange Vertonung überträgt diese Kürze auf die Ebene der Musik. Schon Theodor W. Adorno bemerkte in seinem Artikel »Zu den George-Liedern«, die Ökonomie des Ausdrucks verleihe diesem Stück besondere Radikalität. Es ist ein Vorschein jener musikalischen Aphoristik, die später die Musik von Schönbergs Schüler Anton Webern auszeichnen sollte.
Mit seinem atonalen Klangbild, prägnanten Ausdruck und der Strukturierung durch entwickelnde Variation ist das »Buch der Hängenden Gärten« ein Markstein innerhalb von Schönbergs Werk. Die »Emanzipation der Dissonanz« sollte mit ihren ungeahnten Freiheiten nicht nur sein eigenes Schaffen für lange Zeit prägen, sondern, wie die Geschichte gezeigt hat, zu einer der größten Umwälzungen innerhalb der westlichen Musikgeschichte führen. Die konsequente Durchdenkung des atonalen Prinzips mündete um 1920 in der Entwicklung der Zwölftonmethode, welche die neu erschlossenen Klänge in adäquater Form organisierte – und Schönberg schließlich wiederum zu neuen musikalischen Ufern vorstoßen ließ.

Charles Stratford | © Arnold Schönberg Center